Der Film
Nahezu pleite lässt sich Judy vom Theaterintendanten Bernard Delfort (Michael Gambon, Ein letzter Job) schließlich zu einem gutbezahlten fünfwöchigen Engangement in London überreden, wo ihre Beliebtheit anders als in den Vereinigten Staaten immer noch ungebrochen ist. Dort lernt sie bereits nach kurzer Zeit den deutlich jüngeren Nachtclubbesitzer Mickey Deans (Finn Wittrock, La La Land) kennen und lieben, das Paar heiratet kurz darauf. Doch die chronische Unzuverlässigkeit und der schlechte körperliche Zustand Garland´s treibt sämtliche Beteiligten zunehmend in die Wahnsinn. Obwohl ein Arzt alarmierende Diagnosen stellt und jeder Auftritt zu einer unberechenbaren Tour de Force für das Publikum ausartet, ist Judy fest dazu entschlossen, allen Zweiflern und vor allem sich selbst ein letztes Mal zu beweisen, dass sie trotz aller Probleme immer noch zu den größten Künstlern der Welt zählt. Was zu diesem Zeitpunkt allerdings noch niemand ahnt: Bereits ein halbes Jahr später werden Meldungen über den Tod von Judy Garland um den ganzen Globus gehen…
Die Rezension
Die tragische Geschichte über Aufstieg und Fall einer der ganz großen Entertainerinnen des letzten Jahrhunderts mit dem nötigen Respekt und einer angemessenen Ruhe zu erzählen – dieses Vorhaben ist Regisseur Rupert Goold definitiv gelungen. In knapp zwei Stunden Spielzeit entführt der gebürtige Londoner seine Zuschauer zurück in die späten, aber immer noch kunterbunten Sechziger Jahre. Eine wilde Zeit mit immer neuern kulturellen Entwicklungen, die auf den ersten Blick kaum noch Platz für einen stetig alternden, skandalgeplagten Star zu bieten hat. So ähnlich muss es auch Renée Zellweger ergangen sein, deren eigene Karriere nach einem fulminanten Start ebenfalls rasch auf Talfahrt ging. Nach dem Oscar© als Beste Nebendarstellerin in Unterwegs nach Cold Mountain gelang es nach vielen eher mittelmäßigen Produktionen und anhaltenden Gerüchten um kosmetische Operationen erst zwölf Jahre später, mit Bridget Jones´ Baby wieder an alte Erfolge anknüpfen zu können. Umso mehr wirkt ihre Darstellung in Judy wie ein gewaltiger Befreiungsschlag gegen die zahlreichen Kritiker, die ein Comeback zumindest in dieser Form längst ausgeschlossen hatten.
Tatsächlich müsste ich sagen, dass der Film ohne Zellweger nur ein weiterer solider Eintrag in die lange Liste verfilmter Biographien wäre, die man trotz aller Schauwerte bereits nach kurzer Zeit wieder vergisst. Es ist deren Talent, Zerbrechlichkeit und Stärke zu gleichen Anteilen gepaart mit einem entwaffnenden Charme glaubhaft in eine Figur einfließen zu lassen, die einen auch Wochen später noch an das Gesehene erinnern lässt. Hinzu kommt, dass sich die Schauspielerin mithilfe eines Gesangstrainers akribisch darauf vorbereitet hat, auch die dargebotenen Songs möglichst originalgetreu rüberzubringen. Und obwohl es nicht gelungen ist, die Melancholie in der Stimme der späten Judy Garland gänzlich zu erfassen, liefert Zellweger auch hier eine bemerkenswerte Leistung ab. Der Lohn der Mühen: Hervorragende Kritiken und das Einheimsen nahezu aller wichtigen Filmpreise, darunter einen zweiten Oscar©, dieses Mal jedoch als Beste Hauptdarstellerin. Eben jenes gelungene Comeback, dass Judy Garland selbst leider nicht mehr zuteil wurde: Der Kinderstar starb ein halbes Jahr nach ihrem Engagement in England an einer wahrscheinlich versehentlichen Medikamentenüberdosis.
Dank bis in die kleinste Nebenrolle toll aufspielender Darsteller – darunter auch Nachwuchstalent Darci Shaw als junger Judy in Rückblenden – und einem stimmigen Look samt entsprechender Ausstattung ist den Machern eine gleichermaßen berührende wie kurzweilige Biographie über eines der größten Talente des letzten Jahrhunderts gelungen, welches man alleine schon aufgrund der fantastischen Hauptdarstellerin gesehen haben sollte. Judy ist von Anfang bis Ende handwerklich gut gemachtes Kino und obwohl zu dramaturgischen Zwecken sicher nicht jeder Moment auf Fakten basiert (tatsächlich kommt es immer wieder zu Anachronismen und den Fakten widersprechenden Augenblicken), kann man sich den Film guten Gewissens in die Sammlung holen.
Die Blu-Ray
Titelfigur und Blu-Ray haben gemeinsam, dass sich um beide unklärbare Mysterien ranken. Auf die Blu-Ray trifft das deswegen zu, weil wir trotz intensiver Recherche nicht ausmachen konnten, wie genau Judy abseits komplett digitaler Herstellung eigentlich den Weg ins Heimkino gefunden hat. Eine UHD zum Film ist weltweit nicht erschienen und auch nicht geplant, weshalb die Bewertung ausnahmsweise komplett auf Erfahrung und Augenmaß basiert. Beides lässt darauf schließen, dass dem Release kein natives Finish in 4K zugrundeliegt, sondern eher ein 2K Digital Intermediate. Da das aber nicht mit absoluter Gewissheit gesagt werden kann und zudem bei einer ausschließlichen Veröffentlichung auf Blu-Ray auch nur eine untergeordnete Rolle spielt, stürzen wir uns einfach auf das, was man auch wirklich daheim geboten bekommt.
Und das kann sich definitiv sehen lassen, denn Judy singt und trinkt sich durch ein durchgehend detailreiches Bild, welches sowohl in Nah- als auch in Weitaufnahmen zu überzeugen weiß. Die knallbunten Kostüme strahlen einem reich an Highlights entgegen, während Hauttöne stets in natürlichem Rahmen dargestellt werden. Rückblicke werden dagegen eher von Gelb- und Grüntönen dominiert, was aber im zeitlichen Kontext wunderbar passt und zudem der Differenzierung dienlich ist. Allzu aufdringlich stellt sich diese Einfärbung aber nie dar. Abgerundet wird das gelungene Bild mit satten Schwarz- und Weißanteilen bei der Kontrastgebung. Selbst in dunkleren Momenten wird exzellent durchgezeichnet. Hier kann man absolut nichts kritisieren. Dass Universal als für den hiesigen Raum verantwortliches Label bei der Heimauswertung des mit Darstellerpreisen überschütteten Films aber nicht komplett in die Vollen geht, zeigt sich nicht nur an der Abwesenheit einer in diesem Fall sicherlich sehr sehenswert gewesenen UHD, sondern auch angesichts der Klangausstattung.
Zwar wartet die Blu-Ray immerhin mit deutschen und englischen Masterspuren im DTS-HD MA 5.1-Format auf, eine im Idealfall noch höherwertige Ausgabe via Dolby Atmos sucht man allerdings vergeblich. Das gilt aber auch für alle anderen Veröffentlichungen weltweit und ist wahrscheinlich eine Konsequenz der Tatsache, dass die Verwertungsrechte auf beinahe jedem Kontinent bei einem anderen Label liegen und kein andererweitiger Konsens gefunden werden konnte. Auch das ist aber wieder nur Mutmaßung und eine überflüssige dazu, schließlich klingt Judy über die jeweiligen Masterspuren schon richtig gut. Hier trifft bestmögliche Dialogverständlichkeit auf eine rundherum gelungene, angenehm dynamische Soundkulisse. Der Subwoofer geht gerade bei den Songs unaufdringlich mit, während die Rücklautsprecher hauptsächlich Umgebungsgeräusche beisteuern. Die Musik dagegen kommt sehr frontdominiert rüber, was jedoch in Ordnung geht, weil die Stücke auch fast durchgehend dazu passend gefilmt worden sind. Alles in allem haben wir es hier aber mit einem sehr dialoglastigen Film zu tun, dessen dazugehörige Tonspuren nicht mehr und nicht weniger das abliefern, was sie abliefern sollen.
Die Extras
Während der Import immerhin noch ein Making Of samt Bildergallerie und Trailer zum Film mitbringt, müssen deutschsprachige Käufer leider mit deutlich abgespeckterem Umfang leben. Statt der eben genannten Featurettes gibt es hier lediglich eine Handvoll Interviews mit Cast und Crew. Das mag zwar auch nicht ganz uninteressant sein und ist wohl ebenfalls der undurchsichtigen Vertriebsrechtssituation zuzuschreiben, trotzdem schneidet die Ausstattung der Auslandsfassung insgesamt besser ab. Ein bisschen Enttäuschung stellt sich da durchaus ein.
Fazit
“Einmal Regenbogen und zurück – eine Reise, die nicht nur Judy Garland basierend auf ihrem unvergesslichen Song am eigenen Leib erlebt hat, sondern auch über vier Jahrzehnte später auch deren Darstellerin Renée Zellweger. Deren leidenschaftliche wie brillante Darstellung der problemgeplaten Ikone zählt zweifellos nicht nur zu den besten schauspielerischen Darbietungen des letzten Jahres, sondern sogar zu denen der gesamten letzten Dekade. Alleine dafür muss man Judy gesehen haben. Dafür bietet sich die frisch veröffentlichte Blu-Ray zum Glück wunderbar an. Ein rundherum gelungenes Bild samt passender Klangkulisse laden zu einer aufregenden Reise in die späten Sechziger ein, denen lediglich eine dünne Zusatzausstattung als einzigem echten Manko anhängt. Das sollte in dem Fall aber keinen von der Sichtung abhalten.”
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