Der Film
Vorgesetzter Calvert (Don Johnson, Miami Vice), der lange Jahre mit Ridgeman zusammengearbeitet hat und es nur aufgrund massiver Arschkriecherei weiter gebracht hat als sein Ex-Partner, suspendiert beide Beamte daraufhin auf unbestimmte Zeit ohne Bezahlung, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Als Brett später von einem Kontaktmann in der Gangsterszene Bulwarks den Tipp bekommt, dass bald ein Banküberfall stattfinden soll, beschließen die geschassten Cops, sich die Beute anzueignen und so endlich alle Geldsorgen vergessen zu können.
Zeitgleich schlägt der frisch aus dem Knast entlassene Mittvierziger Henry Johns (Tory Kittles, Olympus has Fallen) daheim bei seiner Mutter und dem jüngeren Bruder Ethan auf – und ist über die hiesigen Zustände alles andere als begeistert. Denn obwohl Ethan an den Rollstuhl gefesselt ist, steckt in dem klugen und unschuldigen Jungen ein brillanter Geist, der bei passender Förderung eine erfolgreiche Zukunft garantiert. Eine drogensüchtige und anschaffende Mutter ist dafür allerdings keine gute Basis. Obwohl Henry seiner kriminellen Vergangenheit eigentlich entsagen wollte, lässt er sich von Kumpel Biscuit überreden, als Fahrer für einen geplanten Bankraub in der Bande des gnadenlosen Lorentz Vogelmann (Thomas Kretschmann, Wanted) rekrutieren. Der Raub gelingt, fordert aber mehrere Tote. Während Henry und Biscuit mit ihrem Gewissen ringen, warten Lurasetti und Ridgeman auf eine günstige Gelegenheit, sich die Beute unter den Nagel reißen zu können. Eine blutige Konfrontation scheint unvermeidbar zu sein. Doch auch die Cops plagen allmählich Schuldgefühle…
Die Rezension
Gerade eher preiswert produzierte Filme werben oft mit reißerischen Titeln, um trotzdem Publikum anzulocken. Dragged across Concrete (dt. “Über Beton geschleift”) hält aber, was der Name verspricht und bietet über die überraschend lange, aber nie langatmige Laufzeit von stolzen 163 Minuten einen kompromisslosen Abstieg in die Finsternis menschlicher Seelen, der mit knapp 15 Millionen Dollar Produktionskosten nicht einmal ein wirkliches Schnäppchen darstellt. Allerdings kann man annehmen, dass ein Großteil des Budgets hauptsächlich für die Gehaltsschecks seiner Darsteller draufgegangen ist. Die aber entpuppen sich als perfekt gewählt und sind ihr Geld definitiv wert. Allen voran brilliert Mel Gibson (leider nicht wie gewohnt von Stammsprecher Elmar Wepper vertont!) als rassistischer und grimmiger Cop, was aufgrund dessen kritischer Vergangenheit sicher nicht ganz ohne Provokation daherkommt. Aber vielleicht haben wir es gerade auch deswegen hier mit einer der besten schauspielerischen Leistungen des Australiers seit Jahren zu tun. Gibson agiert hier mit einer so durchdringenden Gnadenlosigkeit, dass es einen von der ersten bis zur letzten Minute packt. An seiner Seite läuft auch Vince Vaughn nach der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Regisseur Zahler bei Brawl in Cell Block 99 abermals zu Hochform auf und präsentiert sich als moralisch fragwürdiges, aber dennoch wichtiges Gegengewicht.
Dragged across Concrete ist aber weit mehr als nur ein weiterer Aufguss der typischen Cops gegen Gangster – Stories, wie sie in der Form in den letzten Jahren immer wieder aufgekocht worden sind, denn hinter der Fassade lauert einmal mehr hervorragend geschriebenes Charakterkino, dass sich wenig um Konventionen schert und stattdessen den Mut zur Dunkelheit wagt. In der bewusst dunkel gefilmten und dadurch jederzeit blanke Hoffnunglosigkeit ausstrahlenden Welt des fiktiven Bulwark ist niemand wirklich gut. Jeder hat Dreck am Stecken und wer zumindest über eine halbwegs saubere Weste verfügt, ist entweder schwer erkrankt oder zumindest anderweitig irgendwie vom Leben gezeichnet. Es gibt kein Gut und Böse, kein Schwarz und Weiß, sondern nur Grauzonen. Dadurch werden die Motive von Ridgeman und Lurasetti ebenso greifbar wie die von Tony und Biscuit, nur dass man sich als Zuschauer eben nie auf eine bestimmte Seite festlegen will. Es entsteht gleichermaßen Sympathie wie Ablehnung für beide Seiten, was vor allem dadurch gefördert wird, dass die Charaktere allesamt genügend Zeit spendiert bekommen, um sich über zahlreiche Gespräche zu entwickeln. Dank hervorragender Darstellerchemien sind diese Momente auch die wahren Highlights des Films, obwohl man sich am Ende auch über einen obligatorischen, aber schön in Szene gesetzten Shootout freuen darf.
Zwischen Alltagsrassismus, Armut und chronischen Sorgen trifft Dragged across Concrete mitten ins Ziel. S. Craig Zahler ist damit einmal mehr ein bewusst provokantes, düsteres und extrem brutales Werk gelungen, dass einen bewusst nicht mit guter Laune entlässt, dafür aber definitiv gut unterhalten. Starke Darsteller, hervorragende Cinematographie und ein in den vielen guten Momenten oft an Tarantino erinnerndes Skript kombinieren sich mit einer so brillant quälenden Langsamkeit, dass man trotz Überlänge keine Sekunde verpassen will. Am Ende fühlt man sich dann wirklich wie über Beton geschleift. Auf die bestmögliche Weise. Für mich einer DER Geheimtipps des Jahres, welcher zwar in der knapp bemessenen Kinoauswertung alles andere als erfolgreich lief, im Heimkino mit der Zeit aber sicher für schwarze Zahlen sorgen wird. Wenn das einzige, was einen am Film stört die Tatsache ist, dass klassisch nach Filmfehlerschema F immer mit ausgeschalteten Controllern gezockt wird, kann man wohl kaum meckern. Definitiv anschauen!
Die Blu-Ray
Die technischen Spezifikationen des Films lesen sich wie der Traum eines jeden Kameramannes. Komplett digital mit Red Weapon Helium – Kamerasystemen gefilmt, die immerhin bis zu 8K am Output bieten, entstand später ein 4K Digital Intermediate, welches nun auch bei den Heimkinofassungen zur Anwendung kommt. Da ist es natürlich umso ärgerlicher, dass die Blu-Ray zum Film das Maß aller Dinge darstellt. Lediglich im Entstehungsland U.S.A. ist eine 4K – Fassung via Streamingdienst verfügbar. Doch selbst auf Full HD herabskaliert muss sich die Blu-Ray ganz sicher nicht verstecken. Dafür sorgt in erster Linie eine hohe Laufruhe bei durchgehend zufriedenstellender, oftmals aber sehr guter Bildschärfe und besonders in Nahaufnahmen hoher Detailzeigefreudigkeit.
Feinheiten wir Bartstoppeln und Falten werden dann besonders gut herausgearbeitet, aber auch Hintergründe wirken wohltexturiert. Unschärfen lassen sich an einer Hand abzählen. Man merkt dem Transfer seine guten technischen Ursprünge stets an. Aufgrund des bewusst düsteren und ausgewaschenen visuellen Stils haben kräftige Farben hier dafür eher Seltenheitswert – vorhanden sind sie aber trotzdem. Positiv anzumerken ist dafür, dass die Saturierung bei aller Stilisierung nie ins Unnatürliche abdriften, was besonders den Hauttönen sehr gut tut. Und auch die Kontraste können überzeugen, besonders die kräftigen Schwarzwerte und die gute Durchzeichnung lassen das Kritikerherz höher schlagen. Bei einem so finsteren Flick ist das aber auch Grundvoraussetzung. Eine tolle Gesamtpräsentation!
Der Sound präsentiert sich zweisprachig in Deutsch und Englisch, geboten wird jeweils verlustfreies Masteraudio im DTS-HD MA 5.1-Format. Weil Dragged across Concrete aber mehr von den Dialogen lebt als von der erst zum Ende hin wirklich aufkommenden Action, muss man den Ton auch daran messen. Zum Glück wird bei beiden Spracheinstellungen gleichermaßen beste Stimmverständlichkeit im Center geboten. Ohnehin ist der Film überraschend frontlastig geraten. In den Rears tut sich nur sehr wenig und auch der Subwoofer hat nicht wirklich viel zu tun. So bleibt es bei nur wenigen wirklichen Highlights in Sachen Räumlichkeit, die überzeugen dafür aber durch derart gute Dynamik und Kraft, dass man umso gebannter hinhört. Nicht mehr, aber auch nicht weniger lässt sich dazu sagen.
Die Extras
Gerade einmal zwei Featurettes haben sich auf der Blu-Ray eingefunden, die aber bieten mit knapp 48 Minuten kombinierter Laufzeit aber ein überraschend umfangreiches Paket und sind sogar sehr sehenswert geraten. Davon entfält ein Großteil vor allem auf “Elements of Crime”, welches sich in drei Teilen intensiv mit dem Herstellungsprozess des Films befasst und dabei nicht nur informativ ist, sondern mit der gleichen Vielschichtigkeit und dem Hang zur Provokation inszeniert worden ist wie der dazugehörige Film. Tatsächlich eines der prägnantesten Making Of´s, die ich je gesehen habe und definitiv einen Blick wert! Weniger gut, aber trotzdem nicht uninteressant ist das siebenminütige Featurette “Moral Conflict”, welches vor allem als Kritik gegenüber den gegenwärtigen Standards im Gewerbe konzipiert worden ist. Welche Rolle dabei unter anderem Streamingdienste wie Netflix und Co. spielen, erfährt man hier auf ungeschönte Weise. Zum Nachdenken wird auf jeden Fall angeregt.
Fazit
“Dragged across Concrete ist eine weitere leuchtende Perle in der bisher eindrucksvollen Vita S. Craig Zahler´s. Perfekt besetzt, toll gefilmt und mit großem Fokus auf seine Charaktere gelingt es dem Mann aus Miami einmal mehr, mit verhältnismäßig kleinen Mitteln etwas Großes zu erschaffen. Kompromisslos wie immer und dabei gewohnt provokativ entpuppt sich auch dessen dritte Regiearbeit als klug durchdachtes Meisterwerk, dass man sich keinesfalls entgegehen lassen sollte – und das trotz oder gerade wegen seiner ungewöhnlich langen Spielzeit. Genießen, wirken lassen, verarbeiten. Dank tollem HD-Transfer und im Rahmen des Gebotenen sehr soliden Tons sowie interessanten Extras kann man sich die Blu-Ray zum Film mit gutem Gewissen nach Hause holen. Schön, dass ich das diesen Monat auch nochmal sagen kann.”
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