Der Film
Schnell wird jedoch klar, dass Leinen das Opfer persönlich kannte, allerdings unter dessen wahrem Namen Hans Meyer. Nicht nur, dass der Ermordete eine Art Ziehvater für den Anwalt darstellte, auch war er Leinen lange Zeit mit dessen Enkeltochter Johanna (Alexandra Maria Lara, Der Untergang) liiert und tritt nun vor Gericht als Nebenklägerin auf. Ihr zur Seite steht der extrem erfahrene Straftverteidiger Mattinger (Heiner Lauterbach, Traumfabrik), dem es allerdings nicht gelingt, Leinen davon zu überzeugen, sein Mandat wegen Befangenheit abzulehnen, was vor allem für Konflikte mit Johanna sorgt, zu der er sich während des Prozesses nach vielen Jahren wieder annähert.
Im laufenden Verfahren gelangen jedoch immer neue Fragen und Zweifel über das tatsächliche Motiv Collinis an die Oberfläche, vor allem die von ihm genutzte Waffe, eine Walther P38, erscheint völlig untypisch. Leinen entschließt sich, in der italienischen Heimat des Angeklagten zu recherchieren. Dabei stößt er auf auf ein schockierendes Geheimnis, welches das Opfer sein Leben lang gut gehütet hat und die Tat in ganz neuem Licht erscheinen lässt…
Die Rezension
Mit dem sogenannten Verjährungsskandal wurde 1969 einer der größten Skandale der deutschen Justizgeschichte bekannt. Der im Rahmen der damals reformierten Ordnungswidrigkeitengesetzes geänderte Paragraph ist maßgeblich dafür verantwortlich gewesen, dass zahlreiche Täter der NS-Zeit dank zwanzigjähriger Verjährungsfrist für ihre Verbrechen unbehelligt davongekommen sind, da durch ein Schlupfloch im Gesetzestext Beihelfer ohne nachweisbares persönliches Motiv minderschwerer bestraft werden mussten. Das im Film zur Sprache gebrachte Gesetz, welches diese Taten prinzipiell nicht als Mord, sondern als Totschlag bewertet, ist allerdings rein fiktiv und wäre in dieser Form auch völlig verfassungswidrig gewesen. Der Fall Collini ist daher kein historientreues Gerichtsdrama, sondern eher eine Mischung aus Fakt und Fiktion mit dem Anliegen, zumindest grundlegend an dieses Schlupfloch zu erinnern.
Das gelingt Der Fall Collini dann aber ausgesprochen gut, auch die Darstellerriege um Krabat – Regisseur Marco Kreuzpaintner liefert glaubhafte Darstellungen ab. Allen voran muss man Elyas M´Barek loben, dem es in der Rolle des engagierten Junganwalts gelingt, sein übliches Rollenspektrum zu durchbrechen und auch mal in einem für ihn bisher unbekannten Genre zu glänzen. Diese Wandlung wird hier sichtbar vollzogen, denn nachdem Leinen zu Beginn merklich unsicher auftritt und im Boxring zunächst hauptsächlich körperliche Präsenz zeigt, findet der Anwalt im laufenden Prozess mehr und mehr in seine Aufgabe und die damit verbundene Verantwortung hinein. Auf gleiche Weise kann M´Barek als Darsteller selbst bewertet werden, weswegen es umso mehr Spaß macht, ihn über die etwas mehr als zwei Stunden Spielzeit zu begleiten. Alexandra Maria Lara spielt dagegen gewohnt zurückhaltend und leise, ihre Rolle als Johanna verschwindet zum Schluss nahezu in der Bedeutungslosigkeit, während Heiner Lauterbach (mit ordentlichem Toupet auf dem Haupt) sichtbar Spaß als erfahrener Jurist hat, der vom Unterstützer zum Gegner und dann doch wieder zum Unterstützer wird. Der wahre Star des Films ist allerdings Franco Nero, der es schafft, eine facettenreiche Rolle fast ausschließlich durch reine Körpersprache darzustellen. Eine ganz, ganz große Darstellerleistung.
Dabei muss man aber trotzdem auch ein bisschen Kritik an der filmischen Umsetzung üben, die sich wie das Buch einige erzählerische Freiheiten erlaubt, welche in der Form wohl an keinem deutschen Gericht tolerierbar gewesen wären, angefangen bei der offensichtlichen Befangenheit des Verteidigers bis hin zu einigen offenen Fragen darüber, warum Collini am Ende trotzdem nie selbst das Wort ergreift, obwohl seine Motive längst offengelegt sind und er damit eigentlich genau das bekommen hat, was er wollte. Auch muss man dem Film ankreiden, dass er es anders als zum Beispiel der legendäre Eine Frage der Ehre nie schafft, im Rahmen der Verhandlung wirkliche Spannung zu erzeugen, sondern diese stets von außen über Rückblicke und Ermittlungsergebnisse einzustreuen. Dennoch ist ein handwerklich überaus solide gemachter Film entstanden, der seinen Anspruch auf Wahrheitstreue zugunsten cineastischer Unterhaltung opfert, ohne den Zuschauer am Ende genau darüber aufzuklären. Diese Pflicht hätte Der Fall Collini definitiv gehabt.
Die Blu-Ray
Gedreht wurde vollständig ditital, zum Einsatz kamen Arri ALEXA SXT- sowie ALEXA Mini – Kamerasysteme. Leider ließ sich nicht klären, mit welcher Auflösung am Ende gemastert wurde. Für die Blu-Ray als Maß aller Dinge spielt das ohnehin keine wirkliche Rolle. Die überzeugt in erster Linie durch eine vor allem in Nahaufnahmen sehr gute Detailwiedergabe und Bildschärfe. Beides ist besonders in gut ausgeleuchteten Szenen zu erkennen, in dunkleren Einstellungen sowie Totalen kommt es aber in beiden Bereichen immer mal wieder zu leichten Einbußen, die sich aber so zurückhaltend darstellen, dass sie nach kurzer Zeit schon nicht mehr auffallen. Die Farbgebung ist insgesamt natürlich geraten und setzt bewusst auf eine erdige Farbpalette, was gelegentlich zu leichtem Gelbstich bei den Hauttönen führen kann. Bei den Kontrasten punktet die Blu-Ray mit kräftigen Schwarzwerten, wie bereits erwähnt ist die Durchzeichnung aber gerade in schlecht ausgeleuchteten Momenten nicht optimal und verschluckt kleinere Details. Eine insgesamt also sehr solide, aber nicht perfekte Veröffentlichung aus dem Hause Constantin Film.
Als überwiegend dialoglastiges Gerichtsdrama darf man natürlich kein Effektfeuerwerk erwarten, so fokussiert sich der Ton letztendlich auch wie erwartet auf eine bestmögliche Stimmverständlichkeit im Center und erfüllt diese Anforderung auch problemlos. Schade ist allerdings, dass statt verlustfreiem Masteraudio hier lediglich eine leicht komprimierte DTS-HD HR 5.1 – Fassung angeboten wird, viel mehr ist aber eigentlich auch gar nicht notwendig. Das Geschehen bleibt durchgehend frontlastig, liefert aber vor allem in Außenszenen auch ausreichend Nebengeräusche über die Rücklautsprecher, um für angemessene Immersion in den jeweiligen Momenten zu sorgen. Der Subwoofer wird nur selten gefordert, ab und an sind aber im Niederfrequenzbereich trotzdem ein paar gute Gelegenheiten vorhanden, die dann auch adäquat genutzt werden. Kurzum, trotz leichter Kompression erfüllt der Sound alle gesetzten Erwartungen.
Die Extras
Kurz und knapp kann es bei der Zusatzausstattung halten. Wie immer bei Constantin Film besteht ein Großteil der Featurettes hauptsächlich aus Interviews mit Cast und Crew. Knapp 25 Minuten werden davon hier geboten, was zumindest ein paar interessante Einblicke in die Darsteller und ihre jeweiligen Rollen ermöglicht. Dazu gibt es noch ein mit vier Minuten Laufzeit recht kurz ausgefallenes Making Of. Hier hätte man dann doch noch die letztmögliche Gelegenheit nutzen können, die teils auf Fiktion basierende Geschichte durch Aufklärung zu relativieren. Passiert ist das leider nicht.
Fazit
“Was ich an Gerichtsdramen seit jeher so geschätzt habe, ist deren Kammerspielcharakter, der sich ganz auf die Leistungen der Darsteller verlassen muss, um effektiv zu funktionieren. Was das angeht, hat das Team um Regisseur Marco Kreuzpaintner definitiv alles richtig gemacht. Elyas M´Barek hat sich spätestens jetzt endgültig für ein breiteres Rollenspektrum qualifiziert gezeigt, während neben einem gewohnt charismatischen Heiner Lauterbach vor allem Franco Nero durch sein subtiles, mimiklastiges Spiel brilliert und es schafft, eine bewegende Geschichte fast ohne Worte zu erzählen. Eine schwankende Spannungskurve und das Versäumnis, den fiktiven Teil der Handlung nicht als solchen zu deklarieren, sind die einzigen Schwächen von Der Fall Collini, wiegen als solche aber doch schwer. Wer den Film aber mit dem Wissen darum sichtet, wird dank guter Darstellerleistungen aber trotzdem über zwei Stunden gut unterhalten werden. Die Blu-Ray bietet dazu insgesamt eine sehr gute, wenn auch nie überragende Basis. Die Sitzung ist geschlossen.”
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